Vernissage Kunstforum Arabellapark

Gestern Abend war die Vernissage zur Ausstellung einsundeinsundeins=EINS im Kunstforum Arabellapark München. Die Laudatio wurde von der Münchner Galeristin Monika Reile gehalten. (siehe unten) Musikalisch wurde die Veranstaltung von Celine Röder am Klavier begleitet. Mit dem fachkundigen Publikum ergaben sich über den ganzen Abend hinweg interessante Gespräche. Mit Elisabeth Röder haben wir vereinbart, eines unserer nächsten Projekte auf ihrem Bild „Tänzerin“ aufzubauen.

Eine gelungene Veranstaltung – hier ein paar Eindrücke

Rede Arabellapark am 11.7.2014  „eins+eins+eins=EINS“

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrte Frau Bischof,

liebe Kunstfreunde,

ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur Eröffnung der heutigen Ausstellung. Die Künstler haben dieser Ausstellung den ungewöhnlichen Titel gegeben „eins+eins+eins=EINS. Eine mathematisch nicht korrekte Aussage, aber ein absolut zutreffendes Statement zu der künstlerischen Arbeit dieser drei Künstler-persönlichkeiten, die in äußerst ausgefeilten Techniken arbeiten, in ihren Werken höchst eigenwillige Geschichten erzählen und dem Betrachter einen interessanten Einblick in ihr künstlerisches Schaffen bieten. Seit einer gemeinsamen Ausstellung  arbeiten Horst Gatscher, der Fotokünstler, Rita Maria Mayer mit ihren keramischen Plastiken und Elisabeth Röder, die Malerin, gelegentlich zusammen, stellen gemeinsam aus, tauschen sich aus und regen sich an. Diese Ausstellung ist ein spannungsvoller Dialog zwischen den drei Künstlern, wie man am Konzept von eins+eins+eins=EINS sehr gut erkennen kann: drei Künstler – ein Konzept.

Lassen sie mich nun die Künstler vorstellen, beginnend mit dem Fotokünstler Horst Gatscher. „Photos“ für altgriechisch „Licht der Himmelskörper“ trifft in besonderem Maß auf die künstlerische Arbeit von Horst Gatscher zu, in der Licht eine besondere Rolle zukommt.

Horst Gatscher liebt fotografische Experimente. Das Negativ wird bei ihm zur Leinwand, das Licht benutzt der Fotokünstler wie der Maler seine Farben. Mit dieser Aufnahmetechnik verbindet Horst Gatscher grenzüberschreitend Fotografie und Malerei. Sein Equipment sind ein Diaprojektor und eine Analogkamera. Die Verfremdung seiner Motive erzielt er mit Hilfe von langen Belichtungszeiten, mit Farbfiltern vor der Linse, mit Mehrfachbelichtungen und mit Hilfe verschiedenster Trägermaterialien und farbigen Lichtquellen. Trotz dieses großen technischen Aufwands arbeitet Horst Gatscher spontan, ohne größere Vorbereitungen.

Seine Motive findet der Fotograf in seiner unmittelbaren Umgebung, gerne auch mal auf dem Dachboden oder direkt in seinem Atelier, aber auch im Bestand seiner alten Dias. In seinem Bild „Heart II“ findet sich dann z. B. plötzlich seine Mütze wieder. Diese Gegenstände des Alltags verwendet der Künstler ebenso wie eine Luftblasenfolie, die er über die Fotos „Midnight Express“ oder „Reibung“ legt und damit Verfremdung erzeugt. Träger seiner Fotografien sind teilweise Leinwand oder Aluflächen, aber auch kaschierte Pappe und gerahmte Fotos.

Dass man heute durchaus noch mit neuer Technik und Innovationen überraschen kann, zeigt das neueste Projekt des Fotokünstlers, das er in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Dirk von Burgsdorff initiiert hat: ein interaktives Projekt mit Hilfe moderner Medien und Kommunikationsmittel. Nicht signierte Werke anderer Künstler wie z.B. ein Herz-Graffiti auf einem New Yorker Bauzaun werden in die eigene Arbeit einbezogen. Über das neue Fotobild wird anschließend via QR-Code und App versucht, mit dem Künstler des Originals Kontakt aufzunehmen. Im hinteren Gang sehen wir in dieser Ausstellung Horst Gatschers „Heart Attack“-Bilder dieses Projekts und das Buch dazu. Übrigens: Der Originalkünstler des Herzes hat sich tatsächlich gemeldet.

Zeit ist eines der kostbarsten Güter unserer Gegenwart in der zivilisierten Welt. Zwischen der subjektiv wahrgenommenen Zeit und der objektiv messbaren, bestehen oft deutliche Unterschiede. Und Zeit ist ein zentrales Thema in den Arbeiten von Horst Gatscher. Die Fotografien von Horst Gatscher sind wie Bildübermalungen oder Collagen, die verdeutlichen, dass das, was bleibt, sich dennoch verändert und der Zeit ausgesetzt ist. Nichts, was bleibt, bleibt völlig unverändert. So durchforstet der Künstler seine „alten“ Dias auf der Suche nach neuen Motiven, als Akt fortlaufender Selbstreflexion und Prüfung des eigenen Werkes, die mit der Überarbeitung der Motive einhergeht. Dabei spürt er seinen augenblicklichen Emotionen nach, lässt seine Erinnerungen wieder lebendig werden. In Verbindung zwischen seinen Erinnerungen, Emotionen und aktueller Wahrnehmung entstehen komprimierte, auf den „Augen-Blick“ reduzierte neue Fotografien. In seinem Bild „Nach dem Big Bang“ hat er ein konkretes, aktuelles Ereignis mit einem eigentlich perfekten, bereits vorhandenen Foto verbunden. Dadurch wurde das ursprünglich „alte“ Foto nicht zerstört, sondern es entstand ein neues, interessantes Bild mit einer intensiven Tiefe. Nicht nur die Fotos und Motive verändern sich auf diese Weise und werden einer grundlegenden Verwandlung unterzogen, auch Horst Gatscher selbst entwickelt sich mit seinen Arbeiten weiter. Dieser Arbeitsvorgang ist für Horst Gatscher symptomatisch, der mit seiner Kamera Bilder malt, die von Dauer, Veränderungen und Vergänglichkeit sprechen.

Wenden wir uns nun den Arbeiten von Rita Maria Mayer zu. Plastiken waren schon immer Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit: „Der Ton ist mein Leben“, sagt die Künstlerin über sich selbst, und überzeugt den Betrachter durch ihre konzeptionell dichten und durchdachten Keramikarbeiten. Sie sind von großer Überzeugungskraft und ästhetisch in sich ruhend.

Rita Maria Mayer widmet sich seit vielen Jahren als freischaffende Künstlerin der Keramik. Ihre Motive findet sie vor allem im alltäglichen Leben, in Menschen, die ihr begegnen und in Gegenständen, die sie umgeben. Eine Begegnung wird zum Ereignis, eine Wahrnehmung formt sich zum Bild im Kopf und wird von der Künstlerin bearbeitet. Ihr besonderes Interesse gilt fremden Kulturen, die sie auf vielen Reisen erkundet und der Begegnung mit Menschen. Zu Hause wird das Gesehene und Erlebte in Kunst umgesetzt. Ihre Arbeit „Insignien der Macht“, inspiriert durch alte Kulturen, ist so ein typisches Beispiel. Wir sehen auf einem Band sechs unterschiedliche Zeichen staatlicher oder religiöser Würde, Macht und Auszeichnung wie Zepter, Krummstab oder auch Waffen, die bei der Künstlerin allerdings friedliche Würdezeichen sind. Diese Insignien machen nach außen hin die soziale Stellung oder das Amt ihres Trägers sichtbar. Ihr Figurenpaar „Royal Stretching“ dagegen beleuchtet die Würde und soziale Position eines Amtes von gänzlich anderer Seite: das Königspaar reckt in statischer, nahezu starrer Geste die Hände zum Himmel. Dieses Paar will auffallen, hat aber seine politische Bedeutung längst verloren.

Menschen vergleichen sich in der Sprache oft mit Tieren und hätten gerne deren Eigenschaften. Insbesondere Vögel haben es uns Menschen angetan, viele Sprichwörter zeugen davon. Die Eigenschaften der Vögel, das sich in die Lüfte schwingen und fliegen können, frei sein wie ein Vogel, die Welt unter sich im Flug betrachten – das ist ein alter Traum der Menschen, der erst durch die Technik möglich gemacht wurde. Rita Maria Mayer spinnt diese Sehnsucht weiter. Ihre Arbeit „Transformiert“ zeigt eine Gestaltverwandlung, ein Wesen, halb Mensch, halb Tier – in diesem Fall ein Vogel. Die Oberfläche dieser Keramik ist spröde und starr, das Wesen besitzt keine Füße mehr, sondern Krallen, auch der Kopf  ist bereits vogelartig. Für die Künstlerin geht es natürlich nicht nur um das Fabelwesen. Sie interessiert der Verwandlungsprozess im Menschen, der gerne andere Eigenschaften annehmen möchte und geht Fragen nach wie: wer bin ich, wer wäre ich gerne, wie wäre ich gerne.

„Mein Körper wär ein schutzlos Ding“ nennt Rita Maria Mayer ihre 4 Plastiken eines weiblichen Torsos aus Terrakotta. Es ist wohl die emotionalste ihrer Arbeiten in dieser Ausstellung, in der es der Künstlerin um die Rolle der Frau in der Gesellschaft und ihr ambivalentes Verhältnis zum eigenen Körper geht. Hier will sie u.a. auch zeigen, wie man sich selbst sieht und wie andere einen wahrnehmen.

Dies ist nun der Zeitpunkt, etwas über den aufwändigen technischen Arbeitsprozess der Keramiken von Rita Maria Mayer zu sagen. „Die Hände sind das Werkzeug meiner Seele“, meint die Künstlerin. Für sie ist die Herstellung ihrer Terrakotten, der lange Weg des Arbeitsprozesses wichtig. Die Auseinandersetzung mit dem Formenschatz und den keramischen Techniken alter und fremder Kulturen haben das gestalterische Schaffen der Künstlerin nachhaltig beeinflusst. Ihr Werkstoff  ist Ton, manchmal kombiniert mit anderen Werkstoffen wie Metall, Holz und Gewebe (siehe die Torsi) oder auch Fundstücke aus der Natur. Ton trägt alle vier Elemente in sich: Erde, Wasser, Luft und Feuer. Wobei dem Feuer in ihren experimentellen Bränden eine besondere Rolle zukommt. Bei 800 Grad werden die Terrakotten im Feuer gebrannt und dann ins Sägemehl zum Abkühlen gegeben. Das direkte Feuer auf den Objekten hinterlässt Brandmale und farbige Rauchspuren. Diese Feuermale werden Teil der Gestaltung. Aber wie alle guten und leidenschaftlichen Keramiker gibt sie wichtige, letzte Details des Herstellungsprozesses nicht preis, das bleibt ihr „Betriebsgeheimnis“.

Gemäß Johann Wolfgang von Goethe „beeinflusse die Farbe das Gefühl und wirke dadurch direkt auf die „Seele“ und somit auch auf die Einheit von Körper und Geist“. Dieser Ausspruch des Universalgelehrten Goethe trifft in besonderem Maß auf die Arbeiten von Elisabeth Röder zu, denn die Bilder der Künstlerin sind reinste Farbsymphonien. Und wie in einem Orchester, in dem die Instrumente fein aufeinander abgestimmt sind, komponiert die Künstlerin ihre Farbkaskaden. Ihre Bilder sind ein optisches Erlebnis, voller Energie, Dynamik und Kraft, die den Eindruck vermitteln, sie wäre unmittelbar Zeugin der Vulkanausbrüche in ihren Bildern geworden. Farbe ist für die Künstlerin Elisabeth Röder der „direkte Zugang zur Seele, zu Emotion und Gemüt“ in ihren Bildern und somit ein unverzichtbares Medium ihrer kreativen Arbeit.

Die Inspiration für Ihr künstlerisches Schaffen bezieht Elisabeth Röder aus ihrem Umfeld, ihren persönlichen Erlebnissen im täglichen Leben und vor allem aus der Natur. Die ständig wechselnden Gesichter unserer Erde unter dem Einfluss von Licht und Schatten und die sichtbaren Spuren der „Topologie der Zeit“ faszinieren die Künstlerin und sind immer wieder Ausgangspunkt ihrer Fantasielandschaften wie in  „Earth in motion“ oder „sundance“. Sie widmet sich intensiv der Beschaffenheit der Erde, dem ständigen Prozess von Werden, Wachsen und Vergehen, registriert ihre Schönheit, aber auch ihre Verletzlichkeit und die Folgen unseres sorglosen Umgangs mit der Erde. Ihre Bilder sind eine Mahnung für einen bewussteren Umgang mit den Ressourcen unserer Natur.

Die Künstlerin beschreibt den Entstehungsprozess ihrer Arbeiten als sehr engen, intensiven und lange dauernden Dialog zwischen ihr und dem Bild. In vielen Arbeitsschritten wird das jeweilige Thema Schicht um Schicht prozesshaft ausgelotet. Ausgehend von einem Mittelpunkt, einem Kraftfeld, entstehen viele facettenreiche Räume, die den Betrachter in eigene neue Welten führen und etwas Mystisches enthalten. Die Künstlerin gestaltet ihre Bildräume oft mit einem klassischen Materialmix aus Papier oder Sand. Das Anrühren der Farbpigmente und mischen mit verschiedensten Materialien und Bindemitteln ist für sie ein fast meditativer Arbeitsvorgang. Elisabeth Röders Farbpalette scheint schier unerschöpflich  zu sein von türkisblau, beige und grau bis zu orange oder kupfer: ihre Vorliebe für erdige und warme Farben sticht dabei ins Auge. Vor allem Rot in sämtlichen Variationen findet sich immer wieder in ihren Arbeiten. Rot bedeutet für die Künstlerin Energie, Leben, Aktivität und Erotik, deutlich zu sehen in ihrem Bild mit der feurig rot gekleideten Tänzerin vor dunkelviolettem Hintergrund in „Latino Night“. In diesem Bild hat die Künstlerin mit Sand gearbeitet, um die Vibration der Szenerie, die schwebende Bewegung und die flirrende Erotik des Tanzes zu transportieren. Ihre Tänzerin ist eine ausgesprochen sinnliche Erscheinung voller Bewegung, Lebensfreude und Hingabe an den Tanz.

Seit kurzem beschäftigt sich Elisabeth Röder mit einem neuen Thema, dem Tanz, und widmet sich diesem Sujet sowohl auf der Leinwand als auch in einem Holzschnitt-Zyklus. So begegnen wir dem Tanz in dieser Ausstellung in mehreren Arbeiten. Auch in ihren Holzschnitten treffen wir auf die prozesshafte Gestaltung, speziell erarbeitet für diese Technik. Aus der Bewegung der Farbe heraus entwickelt sich die Form und die Form wiederum ist Bewegung, mündet in geschwungene Linien und in dynamische Bewegungsspuren, die die Bildfläche rhythmisch gliedern. Dabei bevorzugt die Künstlerin oft ins Dunkel gebrochene Farben, setzt aber auch Akzente von kräftigen, hellen Tönen in Rot und Gelb. Zu sehen sind die Holzschnitte in der Leseecke der Bibliothek. Und wie  ihre beiden Künstlerkollegen beschäftigt sich Elisabeth Röder mit einem aufwändigen und komplizierten Arbeitsvorgang, dem „Holzschnitt von der verlorenen Platte“, der viel Erfahrung und Können voraussetzt: man fängt an, das Motiv zu schneiden, druckt, schneidet wieder und wiederholt diesen Vorgang so lange, bis man den Eindruck hat, dass das Endergebnis erzielt ist.

Elisabeth Röder bietet in Ihren Bildern Interpretationsmöglichkeiten an, will aber zugleich Neugier und Phantasie des Betrachters wecken, der seine persönlichen Antworten finden soll auf die vielen Chiffren der Künstlerin.

Und nun wünsche ich Ihnen viel Vergnügen beim Erkunden dieser Ausstellung und möchte Sie alle zu einer Entdeckungsreise zu eins+eins+eins=EINS einladen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

 

München, den 11. Juli 2014

Monika Reile