Der Jackpot Andy Warhol – jammert doch!

Die Spielbank-Betreiberin „Westspiel“, eine 100 prozentige Tochter der landeseigenen nordrhein-westfälischen NRW.Bank, verkauft Kunst aus Allgemein-Eigentum. Die mediale Entrüstung hat Ihnen nichts genützt – weder die Kampagne der Frankfurter Allgemeine – noch der Einspruch von Kulturstaatsministerin Grütters „schlichtweg unanständig“. Nun gehören sie mutmaßlich zwei verschiedenen Höchstbietern der Christie’s-Auktion: „Triple Elvis“ wurde für knapp 65,5 Millionen Euro inklusive Aufschlag an einen Saalbieter zugeschlagen, „Four Marlons“ für knapp 56 Millionen Euro an einen Telefonkunden. Warhols Arbeiten beherrschen zur Zeit den Kunstmarkt. Die mit Abstand höchsten Gesamtabendeinnahmen bei einer einzigen Auktion erzielte Christie’s mit unglaublichen 853 Millionen Dollar, für Nachkriegskunst. Willkommen im Kunstcasino! Anonyme Käufer investieren ihr Schwarzgeld, streichen Spekulationsgewinne unversteuert ein oder vererben Ihr Milliardenvermögen an der Erbschaftssteuer vorbei. In der Zeit, in der Aktien überwacht und geregelt werden und Offshore-Paradiese ausgetrocknet werden, gewinnt die Investition in Kunstwerken in globalen Maßstab an Attraktivität. Gegenwärtig wird zumeist der Malerei die Stellung als „Hauptkunst“ eingeräumt, weil sie das größte Interesse auf sich zieht. In den Zeiten ständiger Beschleunigung eignet sich die Malerei – angesehen und eingeprägt in vielleicht einer Minute – mit einem Minimum an Zeitaufwand für ein Maximum an Event. Malerei und Event verschmelzen bei Kunstauktionen zu einer Einheit. Als Käufer wird der Adressat selbst zum Akteur in einer Art Kunstkasino. Was die Malerei aber vor allem zur globalen Kunst prädestiniert, ist ihre große Kompatibilität mit den Bedürfnissen des Kapitalistischen Marktes. Bei der Malerei oder Bildhauerei kann das Geistige nicht vom Materiellen getrennt werden. Das Medium ist selbst Teil der Werke, während Literatur, Musik oder Film allen Menschen gleichermaßen zugänglich sind. Zumeist werden Bilder durch den Kauf privatisiert, der Öffentlichkeit entzogen. Dadurch eignet sich das Bildwerk nicht nur als Statussymbol, sondern als Kapitalanlage und als Spekulationsobjekt. Mit ihm erwirkt der Käufer einen realen Anteil ( gewissermaßen eine Aktie ) an der Produktion einer Fabrik (eines Künstlers) – nicht umsonst gab Andy Warhol seinem Atelier oder Produktionsstudio den Namen „Factory“. Die riesige Nachfrage im Verhältnis zum singulärem Angebot gründet auf der „Meinung“, d.h. Dem Urteil von Kritikern, Kunstwissenschaftlern oder Philosophen, natürlich auch den Werbeaktionen der Galeristen, Kuratoren. Das Risiko, dass nur der begrenzen oder beherrschen kann, des groß genug ist, um durch seine Urteile oder seine spektakulären Käufe das Marktgeschehen im seinem Sinne zu beeinflussen. Kein Wunder also, dass Banken und Versicherungsgesellschaften die Spekulation mit Kunst als Betätigungsfeld entdeckt haben.